Montag, 15. November 2010
Unklarheit
Ich stelle in letzter Zeit immer wieder fest, dass ich mit Verwirrtheit, Angst und manchmal sogar Aggression reagiere, wenn etwas für mich unklar ist. Die Bandbreite der unguten Gefühle ist sicherlich groß und nicht immer ist es Angst oder Aggression, aber je nach eigener Stabilität und Stimmung trifft es mich manchmal ganz schön hart.
So ist ja Mrs M auf partnerschaftlichen Abwegen und dieses nicht hier sein und nicht dort sein, macht mich ganz schön fertig und raubt mir seit über einem Jahr wertvolle Energie. Das macht mich oft so sehr aggressiv, dass ich Kalksteine zerbeißen könnte. Vielleicht auch gerade deshalb, weil diese Hilflosigkeit dazu kommt, es nicht beeinflussen zu können und ich keine Kontrolle habe (und Kontrolle habe ich doch so gerne...).
Eine andere, typische Situation ist, wenn ich verabredet bin, ich am Treffpunkt stehe und - natürlich mindestens 5 Mnuten früher da bin - keiner kommt, es ist eine Minute danach: grrr, zwei Minuten danach: ach Mensch, drei Minuten danach: also, wenn in zwei Minuten keiner da ist, dann geh ich, vier Minuten danach: hab ich vielleicht den falschen Treffpunkt erwischt?, fünf Minuten danach: hab ich die Zeit falsch verstanden?, sechs Minuten danach: hoffentlich ist nichts passiert.., sieben Minuten danach: wenn ich jetzt gehe und er kommt dann eine Minute später, wie soll ich mich entschuldigen, dass ich nicht da war?, also warte ich und warte ich und warte und warte, warte, warte, wart, war, wa, w....#

Unklarheit oder zu seinen Zusagen nicht stehen - das bringt mich immer wieder aus dem Gleichgewicht und dann habe ich ein Buch gelesen, in dem über unsicher gebundene Kinder geschrieben wurde. Menschen, deren Eltern in der Kindheit nicht klar waren, die vielleicht ihre Kinder lieben wollten, aber nicht durften; die ihre Kinder nicht haben wollten, sie aber umsorgen mussten......da gibts sicher viele Varianten.
Meine Eltern waren nicht klar - wie sollten sie auch, niemand ist perfekt und es war eine schwierige Zeit früher in den 60ger Jahren und, und, und......

Das Kind in mir wollte Liebe und Zuneigung und es gab oft Zeiten, zu denen es nicht angesagt war, sein Kind zu bekuscheln, denn die 4 Stunden im Fütterungs-Rythmus waren noch nicht um oder die Arbeit ließ keinen Raum. Und es gab nur wenig Zeiten, in denen ich als kleiner Kerl glücklich und zufrieden war....warm und geborgen, satt und ohne diesen fiesen Grummelkerl im Bauch, der so böse zu mir war....

Das führt dazu, dass ich heute auch nach Liebe hungere, mich nicht richtig binden will, weil ich Angst habe, in drei Monaten ist alles wieder vorbei und dann?? SO hilft nur Rückzug. Das ist auch der Grund, warum ich so hilflos und aggressiv auf Unklarheit reagiere....

Sind es wirklich alles die Eltern gewesen? Und was mache ich mit dieser Erkenntnis? Habe ich dadurch etwas gewonnen, indem ich diese Zusammenhänge herstelle? Oder ist es nur eine Alibifunktion, damit ich die Verantwortung für mein Handeln wieder an andere abgeben kann????

Gibt es Meinungen?

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Mir scheint, Du hast zu lesen begonnen...

Sind es wirklich alles die Eltern gewesen?

Das ist doch eigentlich keine Frage des Entweder-Oder, oder? Du sprichst mir in vielerlei Hinsicht mit Deinen Erlebnissen und Gefühlen aus der Seele, denn ich habe mich oft schon in ganz ähnlichen Stricken verheddert, bin über ähnliche Steine gestolpert. Und ich habe auch schon vor der Frage gestanden, ob ich mich denn eigentlich nur vor meiner eigenen Verantwortung drücke, wenn ich feststelle, meine Eltern haben eine Menge falsch gemacht.

Ich glaube einfach, es ist wichtig, anzuerkennen: Da ist viel schiefgelaufen. Das Kind in uns ist zu Recht verletzt und hilflos. Es hat sich so gut es konnte um sich selbst gekümmert und dabei allerhand Muster entwickelt, die für das Überleben wichtig waren. Es ist wichtig, aus vollem Herzen zu sagen: "Das war unfair. Ich konnte mich nicht wehren. Es hat mir vieles kaputt gemacht. Ich habe heute deswegen Probleme."

Erst, wenn man das anerkennt und die Verletzungen aus dieser Zeit in ihrer Tragweite erfasst, kann man den Schritt zur eigenen Verantwortung weitergehen. Der Punkt, an dem das geht, ist nicht erzwingbar. Aber er kommt irgendwann. Irgendwann hat man genug gesehen, um sich selbst zu verstehen, und kann im Hier und Heute leben. Und dann auch den Blick auf die eigenen Eltern relativieren.

Mir sagte mal mein Therapeut: "Die Gründe, warum ihr Vater getan hat, was er getan hat, sind erst einmal nicht wichtig. Wichtig für Sie ist, dass es Ihnen geschadet hat. Machen Sie nicht den Fehler, jetzt Mitgefühl aufbringen zu wollen, das kann gefährlich für sie sein." Zu diesem Zeitpunkt hatte er damit vollkommen Recht. Wäre ich auf den Zug aufgesprungen und hätte dieser inneren Stimme nachgegeben, die mir sagte, ich müsse meine Eltern lieben und sei sicher selbst Schuld am Geschehenen - ich bin mir nicht sicher, ob ich hier noch säße.

Gut kenne ich diesen inneren Hunger, dem man doch nicht nachgeben will, weil man die Enttäuschung und den Schmerz kennt und fürchtet. Du hast mein Mitgefühl.

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Ich find für sowas ja ne Therapie ganz gut. Meinungsbilder von Menschen, die Sie nicht kennen, finde ich eher schwierig.

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